Nach mehr als vier Jahren vergleiche ich noch mal meine Analyse und Timeline von damals im Bezug auf die RKI-Protokolle. Im Gegensatz zu vielen anderen Medien konzentriere ich mich aber nicht auf die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen, sondern auf die Verzögerungen und Fehler des RKI, die zu den über 180.000 Toten alleine in Deutschland beitrugen.
Mein Artikel vom 21. März 2020:
Ich hatte darin vor allem in einer Timeline Entscheidungen nachzuvollziehen versucht und dann vor allem den Unterschied zwischen WHO und RKI deutlich gemacht.
Am 23. Januar bewertet die WHO in ihrem 3. Situation Report zum Novel Corona Virus, das Risiko so: “WHO assesses the risk of this event to be very high in China, high at the regional level and high at the global level.”
Am selben Tag erwähnt das RKI das Virus in ihrem Epidemiologischen Bulletin 4/2020 so:
Das RKI hat außerdem umfangreiche Informationen zu Erkrankungen mit dem neuartigen Coronavirus (2019-nCoV) in China zusammengestellt. Diese können hier abgerufen werden: www.rki.de/ncov”
Das erste Protokoll nach dieser Einschätzung der WHO (vom 23.1.20) ist einen Tag später, am 24.1.2020. Bezeichnender weise wurden als Maßnahmen lediglich die Anpassung des FAQ beschlossen.
In der aktuellen Lage wird fälschlicher weise geschrieben
Originalzitat des 3. Situationsreports der WHO:
WHO assesses the risk of this event to be very high in China, high at the regional level and high at the global level.
Zu beachten die Fußnote 3:
Note: Error in situation reports published on 23,24 and 25 January as originally published, which incorrectly summarized the risk for global level to be moderate.
Mein Rückschluss ist, dass man beim RKI offenbar den aktualisierten Situationsreport vom 23. Januar nicht richtig gelesen. Mit fatalen Auswirkungen. Denn die Angaben vom RKI sind definitiv falsch. Die WHO hat das Risiko zum Zeitpunkt der Sitzung am international, also auch Europa und Deutschland als hoch eingeschätzt. Das RKI las nur die Protokolle davor und schätzte die Situation falsch als moderat ein. Vielleicht entstand hier durch eine der entscheidendenden Verzögerungen und Fehleinschätzungen mit sehr weitreichenden Konsequenzen? Aber wie kann das sein? Bei einer so wichtigen Frage überfliegt man doch nicht einfach zentrale Reports der WHO? Ich selbst habe habe als Blogger im März 2020 lediglich festgestellt, dass das RKI fundamental in seiner Einschätzung von der WHO abwich. Aber offenbar war das unseren Medien und dem RKI nicht aufgefallen. Für mich unbegreiflich! Erst durch die Protokolle kann ich nun erahnen, wie diese Fehleinschätzung zustande kam.
(Ergänzung: 4.4.24, 16:10 Uhr: Das RKI hatte in dem zitierten Absatz auch WHO und ECDC zusammengewürfelt.)
Am 30. Januar 2020 ruft die WHO den weltweiten Notstand aus!
Die Seite hat das ZDF gelöscht (!). Daher habe ich den Link zur archivierten Seite auf archive.org gelöscht
Das Protokoll des RKI vom 30.1.20 reagiert noch nicht darauf. Und erst im Coronavirus Situation Report 11 vom 31.1.20 sagt die WHO deutlich:
Und es wird hierhin verlinkt: Statement on the second meeting of the International Health Regulations (2005) Emergency Committee regarding the outbreak of novel coronavirus (2019-nCoV) (vom 30.1.2020)
Ich zitiere stellenweise (Übersetzt mit Gemini):
An alle Länder
Es wird erwartet, dass weitere internationale Ausfuhr von Fällen in jedem Land auftreten kann. Daher sollten alle Länder auf Eindämmung vorbereitet sein, einschließlich aktiver Überwachung, Früherkennung, Isolierung und Fallmanagement, Kontaktverfolgung und Verhinderung der Weiterverbreitung der 2019-nCoV-Infektion sowie der vollständigen Weitergabe von Daten an die WHO. Technische Beratung finden Sie auf der WHO-Website.
Die Länder werden daran erinnert, dass sie nach den IHR gesetzlich verpflichtet sind, Informationen mit der WHO zu teilen.
Jeder Nachweis von 2019-nCoV bei einem Tier (einschließlich Informationen über die Art, diagnostische Tests und relevante epidemiologische Informationen) sollte der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) als neu auftretende Krankheit gemeldet werden.
Die Länder sollten besonderen Wert auf die Verringerung von Infektionen beim Menschen, die Verhinderung der Sekundärübertragung und der internationalen Ausbreitung legen und durch sektorübergreifende Kommunikation und Zusammenarbeit sowie aktive Beteiligung an der Verbesserung des Wissens über das Virus und die Krankheit sowie der Förderung der Forschung zum internationalen Einsatz beitragen.
Der Ausschuss empfiehlt aufgrund der derzeit vorliegenden Informationen keine Reise- oder Handelsbeschränkungen.
Die Länder müssen die WHO gemäß den IHR über getroffene Reisemaßnahmen informieren. Die Länder werden vor Maßnahmen gewarnt, die Stigmatisierung oder Diskriminierung fördern, im Einklang mit den Grundsätzen von Artikel 3 der IHR.
Der Ausschuss bat den Generaldirektor, angesichts dieser sich schnell entwickelnden Situation weitere Ratschläge zu diesen Themen zu erteilen und erforderlichenfalls neue Fall-zu-Fall-Empfehlungen abzugeben.
Das ZDF schrieb damals zum PHEIC (Public health emergency of international concern):
Was ist ein internationaler Gesundheitsnotfall
Offiziell spricht die WHO von einem “Notfall für die öffentliche Gesundheit von internationalem Ausmaß” (PHEIC). Das Ausrufen eines PHEIC ist das äußerste Mittel, das die WHO besitzt. Als solchen versteht die WHO ein “außergewöhnliches Ereignis”, bei dem die Ausbreitung einer Krankheit über mehrere Staaten droht. Die Situation müsse “ernst, ungewöhnlich und unerwartet” sein und unmittelbare international koordinierte Gegenmaßnahmen erfordern. Diese Kategorisierung hat die WHO 2005 beschlossen als Reaktion auf die länderübergreifende Verbreitung der Erreger SARS und H5N1 in den Jahren davor.
Das RKi am 31.1. erwähnt nicht die WHO-Warnung:
Risikobewertung: Es gibt aktuell keinen Anpassungsbedarf, sei bleibt bestehen.
Und sie beziehen sich eher aufs ECDC:
the potential impact of 2019-nCoV outbreaks is high;
the likelihood of infection for EU/EEA citizens residing in or visiting Hubei province is estimated to be high;
the likelihood of infection for EU/EEA citizens in other Chinese provinces is moderate and will increase; there is a moderate-to-high likelihood of additional imported cases in the EU/EEA;
the likelihood of observing further limited human-to-human transmission within the EU/EEA is estimated as very low to low if cases are detected early and appropriate infection prevention and control (IPC) practices are implemented, particularly in healthcare settings in EU/EEA countries; assuming that cases in the EU/EEA are detected in a timely manner and that rigorous IPC measures are applied, the likelihood of sustained human-to-human transmission within the EU/EEA is currently very low to low;
the late detection of an imported case in an EU/EEA country without the application of appropriate infection prevention and control measures would result in the high likelihood of human-to-human transmission, therefore in such a scenario the risk of secondary transmission in the community setting is estimated to be high.
Hier scheint mir das RKi sich auch auf das „very low“ zu konzentrieren. Aber eigentlich ist das ein Empfehlung für frühzeitigen und angemessenen Maßnahmen zur Infektionsprävention und -kontrolle (IPC) ! Also für Sofortmaßnahmen JETZT.
Am 3.2. beharrt aber das RKI:
Die Risikoeinschätzung des RKI wird wie folgt angepasst: „…Auch weitere einzelne Übertragungen und Infektionsketten in Deutschland sind möglich. Die Gefahr für die Bevölkerung in Deutschland durch die neue Atemwegserkrankung ist aktuell weiterhin gering…”
Ich bin da echt fassungslos. Es ist schlimmer, als 2020 ahnen konnte. Eine absolute Ignoranz und keine Empfehlungen an die Politik, die von WHO und ECDC dringenden Empfehlungen auch umzusetzen.
Am 23. Februar 2020 stufte das ECDC das Risiko zu “moderat” hoch
Am 28. Februar 2020 macht es die WHO ganz klar: Es gilt die höchste Warnstufe!
Am 27.2.20 Schreibt das RKI:
Zur Evidenz der Wirksamkeit von Quarantänemaßnahmen (z.B. Abrieglungen) gibt es keine Informationen. Zwar wurde bei Ebolafieber in Westafrika ein Papier publiziert, aber die Situation in Afrika lässt sich nicht mit der in Deutschland vergleichen. Der Fokus sollte auf die Kontaktpersonennachverfolgung gelegt werden, um die Infektionsketten zu unterbrechen.
Wie ich schon damals schrieb: „Rassismus tötet“. Das RKI ignorierte eifnach sämtlich vorliegenden Studien aus Asien. Beispiel:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7119078/ Use of quarantine in the control of SARS in Singapore (2005)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7169812/ Controlling SARS: a review on China’s response compared with other SARS‐affected countries (2009)
Also SARS war ja quasi COVID-1 und dann kam COVID-2. Alles was in Asien (und Kanada) damals passierte wurde eingehende untersucht. Auch zu Masken, Quarantäne usw. . Aber der deutsche Wissenschafler glaubt das alles nicht?
Es ist leider genau so, wie es mit damals erschien. Mir reicht die bisherige Rechereche erst mal.
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Zitat
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author = {Pfennig, Thilo},
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